Indonesien/Schweiz: Kei Islands – Zürich, 15.4. bis 29.4.20:
Was für eine Achterbahn der Gefühle und so schnell werden wir dieses Ostern nicht vergessen. Denn lange haben wir versucht auf unserem Segelschiff das Thema Corona zu meiden und nicht in Angst und Panik zu verfallen. Doch immer mehr Geschichten von anderen Seglern zeigen uns die unberechenbare Situation in Indonesien und machen uns unsicher. Ein 270 Millionen Einwohner Land mit schlechter Gesundheitsversorgung ist schon nicht gerade der Lotto-Gewinn in der Corona-Situation. Und dann geschieht das Unausweichliche. Unsere australischen Freunde entscheiden sich zurück nach Australien zu segeln.
Der Schock sitzt tief. Dieser Segeltrip scheint vorbei zu sein. Entweder wir segeln mit nach Australien oder wir steigen hier auf den Kei Islands aus. Nun führt kein Weg daran vorbei uns mit der Corona-Situation auseinanderzusetzen, was wir doch all die Wochen vorher naiv zur Seite geschoben haben. Es beginnt ein hin und her der Überlegungen. Können wir überhaupt nach Australien mit? Lassen sie uns denn hier noch an Land? Fliegen überhaupt noch Flugzeuge nach Europa?
Roman und ich müssen uns entscheiden. Wir nehmen Kontakt mit der Australischen und der Schweizer Botschaft auf. Australien hat die Grenzen dicht und es sieht schlecht aus, dass wir mit ins Land dürfen. Zum Glück bekommen wir trotz der Ostertage wertvolle Informationen von der Schweizer Botschaft in Jakarta. Auch er rät uns so schnell wie möglich in die Schweiz zu reisen und gibt uns den Hinweis, dass es noch Flüge nach Jakarta und dann weiter nach Zürich gibt. Transportschiffe und Fähren sind bis auf Weiteres eingestellt.
Ich bin nervös und nervlich ein ganz schönes Wrack. Auf einmal bekomme ich das Gefühl einfach nur nach Hause zu wollen. Doch das Gefühl dies vielleicht nicht mehr frei entscheiden zu können, ist gruselig. Zum Glück ist Roman, eines seiner großartigen Eigenschaften, Nervenstark und arbeitet alles nacheinander ab. Wir entscheiden uns den Flug via Jakarta nach Zürich zu buchen. Und auf einmal ist es konkret. Wenn alles klappt sind wir in 5 Tagen zurück in der Schweiz.
Das muss erstmal sacken. Unser eigentliche Plan war es ab Osttimor langsam von Insel zu Insel nach Singapur zu reisen um dann gemütlich mit einem Frachter nach Malta zu schippern. Und unsere letzte Etappe wäre dann ein Trip durch Italien mit viel Wein und Pizza bevor wir dann an den Schweizer Türen klopfen. Nicht nur aus dem Umweltgedanken heraus, sondern auch weil wir das langsame Reisen so schätzen gelernt haben, fühlen wir uns völlig überfordert. Roman denkt an all die schöne Plätze, die wir nun nicht mehr erforschen können. Ich aber hoffe einfach nur das diese Reise klappt und wir nicht irgendwo stranden.
Somit verlassen wir nach fast 5 Wochen unser kleines Zuhause Chasing Eden und verabschieden uns von Hayley und Kyle. Wir hatten eine großartige Zeit auf dem Wasser. Sicher nicht ganz so frei und unbeschwert wie wir uns das vorgestellt hatten, aber doch der beste Ort für die ersten Wochen Lockdown. Sobald das Wetter es zulässt werden die beiden zurück nach Darwin segeln.

In Langgur angekommen klappt unser Check-in ins Hotel problemlos und am nächsten Morgen um 5 Uhr soll unser Flug nach Jakarta gehen. Ich bin nervös, dass alles klappt. Und das Schlimmste: es steht noch eine Antwort vom Migrationsamt der Schweiz aus, ob ich überhaupt in die Schweiz einreisen darf. Denn die Grenzen sind dicht und ohne Wohnsitz und Aufenthaltsbestätigung sieht es für mich mit deutschem Pass schlecht aus. Doch zum Glück hat uns die Schweizer Botschaft in Jakarta einen Brief verfasst der bestätigt, dass alle Autoritäten sicherstellen sollen, dass ich als Romans Frau in die Schweiz einreisen darf. Dieser Brief ist mein Ticket in die Schweiz. Puh, nochmal Glück gehabt.
Am nächsten Morgen stehen wir mit Masken am kleinen Flughafen in Langgur und bekommen unsere Boardkarte in die Hand gedrückt. Abstand halten ist für die Indonesier noch schwer, aber an die Masken hat sich jeder gewöhnt. Alles läuft problemlos und wir kommen am Nachmittag pünktlich in Jakarta an. Jetzt muss nur noch der Flug nach Europa klappen. Meine Schlimmste Befürchtung: wir stecken in Jakarta fest. Wir chillen den Nachmittag im Hotel und fiebern auf den Abend hin. Stündlich checke ich Flug-Updates im Internet.

Es scheint alles nach Plan zu laufen und am internationalen Flughafen in Jakarta angekommen realisieren wir das erste Mal die globale Auswirkungen der Corona-Situation. Denn der sonst so lebhafte Flughafen ist gespenstig leer. Keine Warteschlangen, keine Wartezeiten, geschlossene Duty-Free Shops und die Mehrzahl der Flüge sind gestrichen. Doch bei uns läuft alles nach Plan und 11 Stunden später landen wir in Amsterdam auf europäischem Boden. Erleichterung. Jetzt nur noch einen Flug und wir haben es geschafft. Und auch in Amsterdam geht es gespenstig zu und her, kaum Flüge verlassen den Flughafen. Wir haben nur einen kurzen Aufenthalt und können direkt in die Maschine nach Zürich einsteigen. Alles klar. Als der Kapitän uns begrüsst wird es ernst. Jetzt sieht es wirklich so aus, als ob wir in 2 Stunden in unserem ersten Zuhause ankommen. Völlig perplex schweigen Roman und ich uns an und beobachten die rechteckigen Tulpenfelder aus der Luft.

Und dann haben wir es geschafft. Wir sind in Zürich. Noch vor drei Tagen sind wir mit tropischen und wunderschönen Fischen getaucht, jetzt heißt es “Grüezi”. Kulturschock pur, aber wir sind unfassbar erleichtert, dass alles so reibungslos geklappt hat.

Wir fahren mit dem leeren Zug nach Gossau, dem Städtchen wo Roman aufgewachsen ist. Und natürlich bleibt das gehoffte Tam Tam mit großer Überraschungs-Willkommen-zurück-Party aus. Aber als wir den Bahnhof hochlaufen stehen Romans Eltern und Bruder mit Sohn vor uns. Sich nach 17 Monaten nicht in den Arm nehmen zu können schmerzt, Tränen kullern und wir umarmen uns mit pantomimischen Gesten. Aber alle sind einfach nur Heilfroh uns zu sehen.

Und nun, so ohne Wohnung? Wir haben zum Glück bereits Plan B. Unsere großartigen Freunde Nöbi und Tschigi haben während der Reise ihre Küche in ihrer Einliegerwohnung für das Verstauen unseres Hab und Guts zur Verfügung gestellt. Bei einem überraschenden Telefonat am Ostersonntag gaben sie uns ohne lange zu zögern die Zusage, in ihrer Wohnung unsere Quarantäne absitzen und zu bleiben. Wir sind heilfroh und als wir in die Wohnung kommen wird unser Herz warm. Tschigi hat ihr Nähzimmer und Nöbi sein Büro frei geräumt und unsere Matratze liegt bereits mit bezogener Bettwäsche am Boden. Auf dem Balkon stehen Tisch und Stühle und der Kühlschrank ist gefüllt mit Leckereien. Und überall finden wir zauberhafte Bilder und Briefe verfasst von den Töchtern Nora und Jana.
Wir sind zutiefst gerührt und dankbar. Eine Drei-Zimmer Wohnung für uns allein. Das hatten wir schon lange nicht mehr und so ist das Zurückkommen ein Genuss.

Tja, so schnell kann es gehen und das Leben verändert sich. Wir sind nicht die einzigen, die in dieser Zeit solche schnellen Veränderungen hinnehmen und verarbeiten müssen. Aber eines können wir sagen – es ist toll zurück zu sein! Wir fühlen uns bereit unser neues Leben in die Hand zu nehmen. Und es ist zum Glück kein Ende für den Blog slowaround. Ihr hört von uns, wie es sich anfühlt die Reise hinter sich zu haben und welche Projekte und Ideen vor der Tür stehen. Jetzt genießen wir zunächst in vollen Zügen das Heimkommen.
Wahnsinn. Ihr seid wirklich wieder in Corona-Schweiz. Und geniesst das auch noch. 😉
Hat mich gerade tatsächlich zu Tränen gerührt, das alles zu lesen. Euer Loslassen, und erst recht euer Ankommen und Willkommen Sein.
Life is what happens…