Atlantik: Hamburg nach Rio de Janeiro, 17.12.18 bis 8.1.19:
Um 23.30 Uhr fuhren wir gemütlich aus dem Hamburger Hafen hinaus. So ruhig und still habe ich meinen Heimathafen noch nie erlebt. Pompös strahlten alle Lichter des Hafens in der Dunkelheit. Ein irres Gefühl. Jetzt geht die Reise los. Vor über einem Jahr haben wir die Idee kommuniziert und von da an verfolgt und schlussendlich umgesetzt. Jetzt erfüllen wir uns diesen Traum der Weltreise. Ein Lotse winkt uns von der Brücke und schnackt im Hamburger Akzent „Jo, gute Reise, ne!“. Alles klar es geht los!

Schon beim Borden machen wir Bekanntschaft mit den anderen 6 Passagieren, die wie wir diese Reise über den Atlantik antreten. Mit dabei ein russisches Ehepaar, welches die kompletten 2 Monate an Bord nach Südamerika und wieder zurück nach Hamburg fahren. Ein französisches Pärchen, das mit dem Camper von Südamerika nach Kanada fahren wird. Und zwei Freundinnen aus Deutschland im besten Alter (70 und 78) die auf unbestimmte Zeit eine Reise starten, mit denen uns der Gesprächsstoff nie ausging.
Die Schiffs-Crew besteht aus 27 Personen und ist eine Mischung aus italienischen Offizieren und philippinischer Besatzung. Der Kapitän ist ein Italiener wie er im Buche steht und er hat das Sagen an Bord. Die Passagiere essen im Raum zusammen mit den Offizieren, der Kapitän kommt wenn wir fertig gegessen haben. Dann wird aber auch dafür gesorgt, dass wir den Raum verlassen. Die Hierarchie ist nicht zu übersehen. Mittags und abends gibt es ein Dreigänge-Menü mit Tischwein und weisser Tischdecke – man fühlt sich schon fast wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Aber natürlich nur fast, denn der Rest des Tages ist tote Hose und jeder geht seiner Arbeit nach und wir müssen auf das abendliche Unterhaltungsprogramm verzichten – zum Glück!
Wir nutzen die Zeit zum Lesen, Schreiben, Fotografieren, Unterhalten, Spanisch lernen, aufs Meer schauen, Sonnenauf- und Untergänge geniessen, Meditieren, Karaoke singen. Es ist herrlich und die Langeweile stellt sich gar nicht so schnell ein, wie vor allem Alina vermutet hat.

Es ist immer wunderschön bei der Familie zu sein, aber der ganze Wahn, der vor Weihnachten betrieben wird und die ganze Geschenkerei hat uns die letzten Jahre zunehmend genervt. Daher geniessen wir mal ein Weihnachten ganz anders. Die Stimmung kommt aber dank der zunehmenden Wärme (wir sind vor der Westküste Afrikas bei den Kanaren) und der fehlenden Weihnachtsmusik nicht so ganz auf.
Am 24.12. um 21 Uhr werden alle auf die Brücke gebeten. Die Crew versammelt sich und es wird mit süssem Sekt und Panetone auf Weihnachten angestossen. Danach geht die Party weiter, aber nicht bei den Italienern, sondern im Aufenthaltsraum der philippinischen Besatzung. Sofa-Ecke, grosser TV, 2 Mikrophone und ein Liederbuch sorgen für einen vergnügten Karaoke-Abend. Roman und ich singen zur Freude der Crew ausgelassen mit und schaffen es sogar mit dem Song „Country Roads“ die volle Punktzahl zu erreichen. Das ist an diesem Abend nur uns vergönnt geblieben und ich bin beeindruckt von Romans bassiger Stimmgewalt. Wir sind im Kreise der Karaoke-Bande aufgenommen und wir tanzen, reden, singen und trinken ausgelassen bis 3 Uhr nachts. Die Gastfreundschaft ist rührend.
Am nächsten Tag gibt es ein mächtiges Weihnachts-Mittagessen mit der gesamten Besatzung. Danach läuft die Karaoke Maschine wieder auf Hochtouren und Roman und ich geniessen das Lesen an Deck im Sonnenschein mit ein paar vorbei schwimmenden Delfinen. Das war ein tolles Weihnachtsfest.
Silvester und die Äquatortaufe
Ins neue Jahr singen und tanzen wir uns erneut mit den Passagieren und den philippinischen Jungs. Die Karaokemaschine läuft heiss bis in die frühen Morgenstunden. Am 2.1. überqueren wir feierlich den Äquator und können amüsanterweise dabei zuschauen, wie 4 Besatzungsmitglieder auf Grund ihrer erstmaligen Überquerung getauft werden. Sie müssen in den Rettungsanzug steigen, indem sie alle aussehen wie rote Teletubbies, werden mit Wasser abgespritzt und mit einem Ei und Mehl eingestrichen. Dann werden wir alle auf die Brücke gebeten und bekommen eine Kelle frisches, kühles Altantikwasser in den Nacken, natürlich vom Kapitän höchstpersönlich. Auch wir sind nun offiziell getauft.
Das Leben auf dem Meer
Wir sind nur Gäste auf diesem Schiff und gehen nach 3 Wochen wieder an Land. Wie findet man das Leben auf dem Meer wenn man 8 Monate im Jahr auf See ist und nur 4 Monate zuhause? Das ist nämlich die Situation der Philippiner. Die höhergestellten italienischen Offiziere und der Kapitän gehen jeweils 4 Monate aufs Meer und sind dann 2 Monate zuhause. Die Philippiner zeigen uns mit stolz Bilder ihrer Kinder und der Frau und erzählen mit strahlenden Augen von ihrem Land. Laut unseren Gesprächen verdienen sie auf dem Schiff nicht schlecht, ähnlich wie ein Polizeibeamter auf den Philippinen. Demnach ist es kein schlechter Job, nur das lange Fernbleiben ist natürlich eine traurige und einsame Angelegenheit. Ich stelle mir vor wie ein Vater seine Kinder 8 Monate am Stück nicht sieht und kriege ein Kloss im Hals. Doch die Jungs haben immerhin sich, die Karaokemaschine und freuen sich über die Ablenkung wenn Passagiere an Bord sind.
Für uns ist das Leben an Bord ein Genuss. Wir bekommen nicht genug davon einfach auf das endlose blaue Meer zu schauen. Und schwupps sind 3 Wochen um und wir müssen uns von den Gästen und der Crew verabschieden. Es werden fleissig Nummern ausgetauscht, wir müssen unbedingt auf unserer Reise auf die Philippinen und nach Moskau. Ein wenig traurig sind wir schon von Bord zu gehen, es war herrlich so langsam und gemütlich unterwegs zu sein.
Und zu guter letzt – ein paar Zahlen
Wir sind mit der Grande Amburgo 5719 nm also 10600 km gefahren, haben dafür 22 Tage gebraucht mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 17.5 Knoten was 32.4 km/h entspricht. An Bord hatten wir über 1200 Fahrzeuge (die alten nach Dakar, Senegal, die neuen nach Brasilien) und um die 350 Container (Inhalt unbekannt). Zudem haben wir gefühlt 1 Tonne Pasta gegessen.
Jetzt sind wir sicher in Rio de Janeiro angekommen, freuen uns auf das Stadtleben und danach darauf, Brasilien zu erkunden, bevor wir dann Richtung Süden nach Patagonien reisen.
Happy New Year an alle!!
Hier noch ein paar weitere schöne Highlights dieser Reise vom Meisterfotograf höchstpersönlich.