Argentinien pur bereits am ersten Tag

Argentinien: Colón, 22.1. bis 23.1.19:

Man sagt, die Argentinier sind gastfreundlich, interessiert, offenherzig, temperamentvoll und lustig. All das können wir schon nach dem ersten Tag in Argentinien bestätigen. Alles fing an nach einer wunderbaren Nachtbusfahrt.  

Gelesen hatten wir schon einiges positives über die guten Busse in Argentinien. Aber als wir dann unsere recht grosszügigen Sitze einnehmen, noch ein bisschen lesen und langsam einschlafen, sind wir hellauf begeistert, als uns um 23 Uhr der Steward sanft weckt und uns unser warmes Essen serviert. „Chicos, quieron vino“? – aber klar, nehmen wir Wein, wir sind ja schliesslich in Argentinien und schon bekommen einen leckeren Malbec serviert.

Nach unserem Abendessen beginnt die 13-stündige, ruckelige Nachtfahrt im Bus nach Colón. Das Frühstück wird uns ebenfalls serviert mit süssen Kecksen und heissem Wasser mit einem Kaffe-Beutel.

Klasse Bus – wir sind begeistert. Bis es auf einmal hiess: „Chicos, estamos en Colón“. Unser Ziel. Ein wenig perplex, dass wir schon da sind, steigen wir aus dem Bus und stehen mitten auf der Autobahn. Ähhh und wo ist nun Colón, frage ich. Der Steward antwortet ca. 10 km in diese Richtung, holt euch am besten ein Taxi und weg war der Bus. Müde und gerädert von der Busfahrt stehen wir nun mitten auf der Autobahn, an uns rasen die Autos vorbei. Alles klar, und nun? Aber wie es uns schon häufig in solchen Situationen vergönnt war, steht unsere Rettung neben uns mit dem Namen Jesus (kein Scherz), ein Priester aus Buenos Aires. Er fragt uns ob wir auch ins Zentrum möchten und meint, dass er von seinem Freund abgeholt wird. Alles klar, wir kommen doch gerne mit und keine 5 Minuten später hält ein Pick-up und Livio lächelt uns an. Klar sollen wir einsteigen, er bringt uns in die Stadt.

Livio ist begeistert, dass wir Colón besuchen, den besten Ort in Argentinien. Colón liegt direkt am Fluss Rio Uruguay und ist in den Sommermonaten ein sehr beliebter Urlaubsort für die Südamerikaner. Doch schon im Auto erzählt er uns die aktuellen News. Der Fluss ist auf Grund des vielen Regens in Brasilien um stolze 9 Meter angestiegen und die ganze Uferpromenade des Städtchens ist überschwemmt. Er gibt uns direkt eine kleine Stadtrundfahrt und wir sehen wie die Strassen einfach im Wasser enden. Auf Grund der enormen Regenwaldabholzung in Brasilien, werden die Flüsse immer voller, da der Boden das Wasser nicht mehr speichern kann. Der Staudamm ca. 40 km nördlich von Colón kann die Mengen an Wasser nicht mehr tragen und muss kontinuierlich geöffnet werden und alles weiter südlich wird überschwemmt.

Somit hat sich dann unsere Idee am Fluss zu Campen schnell erledigt. Zudem hat auch kein Couchsurfer auf unsere Anfrage geantwortet und so überlegen wir, ob wir nicht direkt weiter nach Uruguay fahren sollen. Als wir Livio bitten uns am Busbahnhof auszuwerfen, wir unsere Rucksäcke schnappen und uns gerade dabei sind uns zu verabschieden, zeigt er auf einen Kanister mit Diesel. Das sei für sein Boot und sie machen nachher noch einen Ausflug auf den Fluss, haben genug Platz und wir können gerne mitkommen. Roman und ich tauschen einen kurzen Blick aus, etwas verdutzt von dem spontanen Angebot und werfen unsere Rucksäcke zurück auf die Ladefläche – klar kommen wir mit. In der Zwischenzeit macht Livio einen Anruf bei seiner Frau Paola um zu fragen, ob noch in einer der Unterkünfte, die sie betreiben, Platz sei. Wir dürfen eine Nacht bleiben, als Geschenk an uns. Wir sind gerührt und steigen ein.

So verrückt wie es manchmal ist, sitzen wir eine halbe Stunde später in der hübschen und familiären Hotelanlage der Familie, Paola macht uns Kaffee und wir erzählen unsere Geschichte. Am Nachmittag brechen wir auf und erkunden gemeinsam mit Livios Sohn Pedro und Jesus den Fluss. Es ist ziemlich beängstigend zu sehen, wie hoch das Wasser steht. Komplette Strassen stehen unter Wasser, von den Strassenschildern sind nur noch die oberen 20 cm zu sehen und die schönen Strände der Region und die Uferpromenade lernen wir nur von Google-Bildern kennen.

Mit einem kleinen aber relativ straken Motorboot fahren wir in die Mitte des Flusses wo wir direkt den ersten Sprung ins erfrischende Wasser geniessen. Kurze Zeit später zeigt uns Pedro beeindruckend, wie gut er Wakeboarden kann. Wir verbringen den Nachmittag auf dem Fluss, trinken super leckeren Malbec, diskutieren über die instabile Wirtschaft Argentiniens, wie verrückt sich die Preise ständig verändern, über den Peronismus, Ex-Präsidentin Kirchner aber selbstverständlich auch über den Nationalstolz schlecht hin: Diego Armando Maradonna. Alle Themen direkt am ersten Tag abgehakt.

Auf dem Rückweg dürfen wir auch noch unser Können (oder Nichtkönnen) unter Beweis stellen und das Wakeboard ausprobieren. Roman steht direkt beim ersten Versuch und macht eine etwas verkrampfte aber ziemlich gute Figur. Von meinen Versuchen reden wir lieber nicht. Beim ersten Mal geht es noch am Besten aber ich habe das Gefühl, dass mir mein Bikinihöschen abreisst, so stark war der Wasserdruck. Aber probiert hab ich es nun, immerhin!

Natürlich werden wir auch am Abend eingeladen mit zum Essen zu kommen. Ein richtiges Asado (Grill), wie es sich in Argentinien gehört. Wir starten um 22 Uhr. Vorher wird hier in Argentinien eh nicht gegessen. Doch Livio hat leider das Licht am Auto vergessen auszuschalten und somit versuchen wir gemeinsam dreimal das Auto anzustossen und nichts passiert. 20 Minuten später kommt einer der Söhne, holt uns ab und bringt uns zum Restaurant. Wir sterben fast vor Hunger und werden belohnt mit einem sehr leckerem Stück Fleisch, Pommes und etwas Salat und Tomaten. Wir sitzen bis spät in die Nacht, unterhalten uns, trinken Wein aus der Region und gehen sogar um 1.30 Uhr noch in eine gut besuchte Eisdiele. Um 2 Uhr fallen wir dann glücklich aber völlig erschöpft ins Bett. Besser hätte unser erster Tag in Argentinien nicht sein können. Alle Versuche sie einzuladen oder etwas für die Unterkunft zu zahlen wurden mit einer Handbewegung abgeschmettert und so blieb uns nur zu sagen, dass sie jederzeit auch bei uns willkommen sind. Livio schmunzelt und sagt „Wenn wir kommen, bleiben wir aber nicht einen Tag, sondern eine Woche“. Aber klar, ihr doch immer!

Somit hatten wir an unserem ersten Tag in Argentinien schon das volle Programm: liebenswerte und gastfreundliche Argentinier, Fleisch, Diskussion über die Wirtschaft und Malbec. Wir freuen uns auf einige weitere solcher tollen Momente in Argentinien. Jetzt geht es erstmal für eine Weile nach Uruguay um das „einfache Leben“ zu geniessen. Mehr dazu schon bald.