Das magische Südpatagonische Eisfeld

Argentinien: Perito Moreno Gletscher – Parque Nacional los Glaciares, 14.3. bis 23.3.19:

Morgens früh verlassen wir Puerto Natales und fahren wieder über die Grenze nach Argentinien in die Kleinstadt El Calafate. Hier legen wir auf dem Weg nach El Chalten einen kleinen Zwischenstopp ein, um den majestätischen Gletscher Perito Moreno zu bestaunen bevor wir dann zur nächsten mehrtägigen Wanderung aufbrechen.

Am Busterminal in El Calafate angekommen reiht sich ein Tourismusanbieter neben dem anderen. Kein Wunder, denn der Perito Moreno Gletscher ist einer der größten Touristenattraktionen Argentiniens. Er zieht sich nämlich im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern nicht zurück und ist bekannt für die beeindruckende Gletscherzunge welche täglich am Kalben ist (abrechen von grösseren Eismassen in einen See). Das Spektakel wollen wir natürlich auch sehen und kaufen uns ein leckeres Picknick mit einer Flasche Wein und setzten uns auf einen der Aussichtspunkte. Wir betrachten einen ganzen Nachmittag lang den gigantische Gletscher und staunen über die riesigen Eismassen, die vor uns laut donnernd in den See krachen.

Dann geht es am nächsten Tag auch schon weiter in das jüngste Dorf Patagoniens, El Chalten. Am Fuße der durch die Bergsteiger bekannt gewordenen Bergspitze Fitz Roy liegt das überschaubare Dörfchen, welches gefühlt nur aus Unterkünften und Bars besteht. Auch hier kommen die Touristen in Scharen her um sich das beeindruckende Bergpanorama anzuschauen und nach einer Wanderung ein frisch gebrautes Bier zu genießen.

Doch dank Romans wunderbarer Recherche wartet hier jenseits der Touristenströme eine Rundwanderung auf uns, die es in sich hat. Flussüberquerungen mit Zipline, Gletscherüberquerung und Zeltplätze ohne Infrastruktur. Ich bin sofort hin und weg. Bei der Parkzentrale informieren wir uns über die Wanderung und über das Wetter. Nachdem wir das Sicherheitsvideo angeschaut, Klettergurte ausgeliehen und Essen eingekauft haben kann es losgehen. Eine erneute Gut-Wetter-Front wartet auf uns. Wobei in Patagonien gutes Wetter bedeutet, dass es weniger windet und die Sonne etwas scheint. Die Temperatur klettert hier im patagonischen Herbst tagsüber gerade mal auf 10-15 Grad, nachts ist es 2-3 Grad. Bitterkalt fühlt es sich an, wenn der Wind einem ins Gesicht peitscht. Aber wir sind ja zum Glück wie alle anderen Wanderer professionell ausgestattet.

Mit der Sonne im Nacken und dem Wind von vorne laufen wir los und merken schon jetzt, dass diesen Weg deutlich weniger Menschen auf sich nehmen. Man muss ja auch auf alles gefasst sein und die heisse Dusche bleibt für vier Tage Wunschgedanke. Die erste Nacht im Zelt überstanden müssen wir uns arg überwinden morgens aus dem warmen Schlafsack zu krabbeln. Die Kälte in der Nacht zwingt uns in voller Montur zu schlafen und den Kopf im Schlafsack zu verstecken. Die Stinkesocken bleiben aber lieber außerhalb des Schlafsacks. Am Morgen muss Roman stets als erster aus dem Zelt krabbeln und grünes Licht geben. Mit den Worten „Klarer Himmel, Alina“ bekommt er mich jedoch relativ schnell aus dem Zelt. Und wie soll es anders sein höre ich den Spruch auf der Tour jeden Morgen.

Ich freue mich nicht nur über das traumhafte Wetter sondern auch über die abenteuerliche Flussüberquerung mit einer Zipline, die am zweiten Tag auf uns wartet. 40 Minuten müssen wir zunächst gegen den Wind ankämpfen. Dann stehen wir vor der Schlucht, fast 10 Meter unter uns rauscht das Wasser. Ein Seil zeigt uns den Weg auf die andere Seite. Also heißt es Klettergestell anziehen und mal schauen wie wir da rüber kommen. Zum Glück kommt in dem Moment ein Schweizer Pärchen um die Ecke die nach sehr soliden Ziplinern aussehen. Wir sind dankbar über die Hilfe, denn der Ausstieg ist recht knifflig, aber gemeinsam bringen wir uns alle über die Schlucht, keiner wagt es jedoch hinunter zu schauen.

Nach dem ersten Adrenalinkick geht es nun weiter zum Paso del Viento (Windpass) auf 1420 Metern. Schon auf dem Weg dorthin genießen wir ein traumhaftes Panorama über die schneebedeckten Spitzen um uns herum. Doch Konzentration ist gefragt, der Weg schlängelt sich an steile Felswände entlang. Die Wegmarkierungen sind kleine Steinmännchen, die wir bei der Masse an Geröll schnell mal übersehen. Dank des Rangers wissen wir, dass der Weg an einer Stelle über den Gletscher führt. Unter unseren Füßen knistert das ewige Eis.

Steil geht es weiter für die letzten Meter den Pass hinauf. Aufgeben ist nicht, zu groß ist die Neugierde was uns auf der anderen Seite erwartet. Und wir beide stoßen ein „Wow“ heraus, als wir endlich über den Pass sehen können. Ehrfürchtig erstreckt sich vor uns ein gigantischer Blick auf das Südpatagonische Eisfeld. Nach der Antarktis und Grönland ist es das drittgrößte Eisfeld der Welt. Das ewige Eis streckt sich über 350 km mit einer Fläche von 16’800 km2.

Der Anblick ist gewaltig und dafür, dass wir auf dem Paso del Viento stehen, ist der Wind gnädig mit uns, sodass wir unseren Gipfel Snack mit Käse, Salami und Nüssen friedlich in der Sonne genießen können. Ein Kaffee und ein Stück Schokolade runden das Picknick ab. So macht wandern Freude :).

Die Nacht und auch der nächste Tag sind wieder ein Traum, die Sonne scheint, der Wind ist mild. Wir sind gut in Form, was sicherlich auch an unserem Gourmetessen liegt. Zum Frühstück gibt es Haferflockenbrei mit Zimt, Datteln und Apfel. Das Gipfelessen erwähnten wir ja bereits und zum Abendessen gibt es Polenta mit Parmesan und Oregano. Instantnudeln kommen uns nicht in den Rucksack.

Am dritten Tag müssen wir eine extrem steile Passage 700 Höhenmeter runter rutschen und kommen mehr ins schwitzen als aufwärts. Zum Glück ist unser Camp direkt am See, neben uns schwimmen die Eisschollen, im Hintergrund ragt der Viedma Gletscher in den See. Noch die Hitze im Körper springen wir direkt in den ca. 10 Grad kühlen See. Welch herrliche Erfrischung nach drei Tagen wandern. Andere Wanderer applaudieren uns für diesen Mut, denn das Wasser ist für die meisten zu kalt und leider lässt das eiskalte Wasser einen längeren Badespass auch nicht zu.

Am letzten Morgen stehen wir um 7 Uhr für den Sonnenaufgang auf. Es ist frisch aber zum Glück kann ich mich an meinem heißen Kaffee wärmen und dabei zusehen, wie sich der Himmel und die Berge rot färben. Roman wärmt sich mit dem Rumhantieren seiner Kamera.

Es geht wieder zurück ins Dorf, 24 km liegen heute vor uns und der Weg zieht sich ganz schön in die Länge. Die Sonne scheint aber zum Glück in voller Kraft und wir wagen es sogar die Hosenbeine herunter zu lassen. Kurze Zeit später folgt Jacke und Pulli, unglaublich jetzt fühlt sich das richtig nach Sommer an. Zum Glück treffen wir erneut auf die Schweizer Pascal und Cristina, die uns mit ihren Geschichten auf den letzten Stunden die Zeit versüßen. Eine erneute Flussüberquerung mit Zipline wartet auf uns, diese ist aber weniger anspruchsvoll und wie Profis hängeln wir uns rüber.

Kurz vor El Chalten dürfen wir dann noch als krönenden Abschluss die majestätische Bergkette mit dem berühmten Fitz Roy in voller Pracht bestaunen.

Zurück im Dorf genießen wir nach 66 km und ca. 23 Stunden wandern eine heiße Dusche und gönnen uns gemeinsam mit Pascal und Cristina zwei kühle Biere, einen wohlverdienten Burger und selbstverständlich – wir sind ja in Argentinien – zu später Stunde noch ein Eis.

Satt und glücklich fallen wir abends ins Bett und wünschen uns nur eins. Morgen endlich mal einen Schlecht-Wetter-Tag, damit wir ausruhen, waschen und weiter organisieren können. Und der liebe Petrus hat uns gehört, am nächsten Tag hängen die Wolken tief und es regnet. Doch wir erschrecken, als wir die Wettervorhersage betrachten, an den kommenden sechs Tagen erwarten uns Sonne und wenig Wind. Das gute Wetter zwingt uns also nach nur einem Tag Pause weiterzuziehen, denn jetzt wartet noch ein größeres Abenteuer auf uns. Wir wollen über die Grenze nach Chile wandern – mit dem ganzen Gepäck. Ob das eine schlaue Idee ist folgt schon bald.

Doch hier zunächst eine bildgewaltige Zusammenfassung der letzten Woche von Roman:



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