Chile: Viña del Mar – Valparaiso – Santiago de Chile, 25.4. bis 7.5.19:
Diesmal bringt uns der Nachtbus knapp 900 Kilometer weiter in den Norden direkt nach Viña del Mar. Doch irgendwie sind wir das „schnelle“ vorwärts kommen gar nicht mehr gewohnt. Nach zwei Monaten Natur in Patagonien stehen wir nun morgens um acht Uhr im Stau und starren auf Betonfassaden. Unsere Lust auf das Stadtleben hält sich irgendwie in Grenzen aber zum Glück sind wir für vier Nächte beim Couchsurfer Willy in einem Vorort der großen Hafenstadt Valparaiso eingeladen.
Noch etwas verschlafen steigen wir aus dem Bus und müssen uns erst wieder an das städtische Treiben um uns herum gewöhnen. Straßenverkäufer fuchteln mit ihren Schokoriegeln vor uns umher, Musik prallt aus den Boxen an jeder Straßenecke, beschäftigte und hastige Menschen drängen sich an uns vorbei. Wir lagern unsere Rucksäcke im Busbahnhof und laufen auf direktem Wege zum Meer. Zu großer Trauer von Alina ist es zu frisch zum baden, aber die Füße erfrischen und die Wellen hören reicht auch schon. Wir verbringen einen entspannten Tag am Strand und sind am Abend mit unserem Couchsurfer Willy am Busterminal verabredet. Pünktlich auf die Minute stehen wir wie verabredet am Bahnhof, doch von Willy keine Spur. Naja, wir sind schließlich in Südamerika, also warten wir ab. Neben uns dudelt ein Kuscheltierautomat immer die gleiche Musik und alle paar Minuten versucht eine vorbeilaufende Person für 13 Cent ihr Glück.

Dieser Automat lässt mich die 1.5 Stunden Wartezeit ganz gut überbrücken. Ein junger Mann hat dann endlich das Glück, zieht ein Kuscheltier heraus und jubelt lauthals los, ich juble selbstverständlich mit. Dann erscheint Willy endlich und entschuldigt sich mehrfach für die Verspätung – so viele Sachen hatte er noch zu erledigen. Bei seiner sympathischen Erscheinung ist die Verspätung schnell verziehen und wir fahren mit dem Bus zu ihm nach Hause. Er wohnt gemeinsam mit seinem Bruder Memo in einer 3-Zimmer-Wohnung. Wir dürfen im Wohnzimmer unser Matratzenlager ausbreiten.

Ich koche uns einen Linseneintopf und Willy zeigt uns in der Zwischenzeit seine größte Leidenschaft – die Musik. Er ist ein Vollblutmusiker, er singt und spielt Gitarre, Pan- und Andenflöte, Ukulele, Trommeln und seit zwei Jahren kann er davon Leben. Mit Anden-Folklore spielt er sich Mittags und Abends in die Herzen der Touris von Valparaiso – und natürlich auch in unsere. Wir kommen in den Genuss von mehreren Konzerten und sind hin und weg von der Schönheit der Musik, die aus dem Norden Chiles, aus Peru, Bolivien und Ecuador kommt.
Wir verbringen vier Nächte bei Willy mit viel Musik und Wein, mit leckerem Essen und Kochaktionen, lustigen Stunden bei seinen Freunden und unserer ersten Panflöten-Unterrichtseinheit.

Ein Tag verbringen wir natürlich in der von der UNESCO ausgezeichneten Hafenstadt Valparaiso und bestaunen die weltbekannten Straßenmalereien. Zu unserem Glück liegt gerade kein Kreuzfahrtschiff im Hafen und wir haben die Gassen so ziemlich für uns alleine.

Dann heisst es auch schon Abschied nehmen. Die Zeit bei Willy war super und genau diese Momente machen das Reisen als Couchsurfer so speziell. Wir haben traditionelle Gerichte aus Chile kennengelernt, Einblicke in die Musikkultur des Nordens erhalten und einen neuen Freund in Chile gefunden. Willy wird nun seine Sachen packen und Mitte Mai für acht Monate nach Deutschland reisen. Gemeinsam mit acht Musikern aus Südamerika werden sie mit ihrer Anden Folklore die Herzen der Städtler in Deutschland und ganz Europa erwärmen. Wir konnten ihn zum Glück noch mit ein paar Kontakten, Tipps und einen kleinen Sprachführer ausstatten. Leider hat die Truppe noch keine Website, aber sobald sie etwas haben, werden wir es veröffentlichen, damit vielleicht der ein oder andere von euch live in den Genuss dieser Musik kommen kann. Er möchte übrigens auch viel von Europa sehen, also wer eine Couch für ihn hat – einfach direkt bei ihm melden. Hier ist sein Profil.

Bevor wir nun nach Santiago weiterfahren legen wir noch drei ruhige Tage in Quintay ein, ein Dörfchen südlich von Valparaiso. Wir geniessen einen sehr einsamen Strand und die raue Felsküste um zu lesen, zu schreiben und die Seele baumeln zu lassen.

Dann geht es nach Santiago. Wir freuen uns schon lange auf den Besuch bei Marcel, einem alten Arbeitskollegen von Roman. Auf einer Südamerikareise hat er vor sieben Jahren die Chilenin Vivi kennengelernt und nach zwei Jahren Fernbeziehung ist er nach Santiago gezogen. Nun arbeitet er seit fünf Jahren als Bauingenieur, Vivi als Journalistin und seit über einem Jahr macht der kleine Benjamin das Familienglück perfekt. Für Roman bedeutet der Besuch endlich mal wieder Schwiizerdütsch reden und über die Baubranche philosophieren. Ich quassle stundenlang mit Vivi auf Spanisch und Roman und ich sind schon nach kurzer Zeit hin und weg von Benjamin. Wir fühlen uns direkt wie zu Hause, denn die beiden kochen für uns und verwöhnen uns mit ganz viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Der kleine Benjamin trollt um uns herum und ist ein so zufriedener, entspannter und fröhlicher Junge, den man einfach sofort lieb hat.

Wir geniessen jede Minute bei ihnen, lernen Santiago kennen, machen Ausflüge, kochen zusammen, trinken Wein und Pisco Sour und lernen viel über das Leben in Chile. Es ist eine total entspannte Familie, wir genießen es Teil des Familienlebens zu sein und merken wie wir unsere kleinen süßen Nichten und Neffen ganz schön vermissen. Nach vier Tagen heißt es erneut Abschied nehmen. Nun werden wir wieder einen Satz in den trockenen Norden Chiles machen und hoffentlich einen beeindruckenden Sternenhimmel in der Atacama Wüste erleben.
Doch hier zunächst die Eindrücke der letzten zwei Wochen: