Bolivien: Puerto Quijarro – Nationalpark Amboro und Kaa-Iya – Santa Cruz, 18.5. bis 28.6.19:
Gackernd wie die Hühner laufen wir den Bahnsteig entlang und steigen in unser Abteil. Zugverbindungen sind in Südamerika sehr rar und deshalb ist unsere Vorfreude auf eine Zugfahrt groß. Noch größer wird die Freude, als wir auf den recht bequemen, nach hinten verstellbaren Sitzen Platz nehmen. Ich hatte harte Holzbänke erwartet.
Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h fahren wir entlang kleiner Dörfer, Sojaplantagen und Wälder. Es ist ein langsames Ankommen in Bolivien. Wir genießen die Fahrt, haben Zeit zum plaudern, Schmuck basteln, lesen, Musik hören, Essen im Speisewagen und schlafen.
Morgens um 6 Uhr erreichen wir den wuseligen Bahnhof in Santa Cruz und verabschieden uns von den Schweden und der Schweizerin. Hier endet unsere gemeinsame Reise, denn sie reisen direkt weiter nach Sucre. Wir nehmen uns eine Unterkunft in Santa Cruz und gönnen uns ein Tag Pause um die weiteren Tage zu planen. Eins steht für uns drei fest. Wir wollen noch mehr Natur erleben und Tiere entdecken und entscheiden uns daher für einen Vier-Tages-Trip in den Amboro Nationalpark im Amazonasgebiet.
Pünktlich um 9 Uhr werden wir am nächsten Morgen von unserem Fahrer abgeholt und fahren 2 Stunden in die Kleinstadt Bela Vista, wo wir unseren Guide Miguel treffen. Auf Anhieb ist er uns mit seiner zurückhaltenden aber lieben Art sehr sympathisch. Wir müssen das Auto wechseln, beladen es mit Wasser und Essen für vier Tage und kurze Zeit später sitzen wir zusammengequetscht auf der Rückbank und werden auf einer Schotterpiste Richtung Nationalpark so richtig durchgeschüttelt. Durch die Gespräche vom Fahrer und Miguel erfahre ich, dass nun eine große Flussüberquerung auf uns zukommt. Durch den kürzlich großen Regenguss ist der Fluss momentan zu hoch um mit dem Auto durchzukommen. Am Fluss angekommen heißt es also alles ins Kanu umpacken, einsteigen und ab auf die andere Seite.
Auf der anderen Seite angekommen warten wir zunächst mal ab. Unser Guide Miguel macht ein paar Telefonate und 20 Minuten später kommen zwei Dorfjungs mit drei Pferden um die Ecke. Gepäck wird in Jutesäcke verstaut und über den Pferderücken gehängt, wir kommen noch oben drauf und nun beginnt ein 2-stündiger Ritt durch die schöne Amazonas-Landschaft vorbei an kleinen Dörfern, an Mandarin Bäumen und durch Flüsse. Ich genieße den Ritt, finde es herrlich die Landschaft vom Pferderücken aus zu beobachten. Die Jungs sehen weniger glücklich aus. Beide haben noch einen Rucksack auf dem Rücken und Jamil hat als einziger keine Decke auf dem Sattel abbekommen und sein Gesicht wird immer schmerzverzogener. Nach zwei Stunden kommen wir in unserer rudimentären Unterkunft, mitten im Wald und ohne Strom, an und sind alle heilfroh abzusteigen.
Wir beziehen unser rustikales Mehrbettzimmer in dem lediglich mit Moskitonetzen behangende Stockbetten stehen und machen uns für den Nachmittagswalk zum Fluss parat. In Bolivien geht aber keine körperliche Anstrengung ohne das genüssliche Kauen von Kokablättern. Miguel hat bereits die Backen voll. Jamil und ich sind neugierig und probieren die nationale Tradition aus. Es schmeckt gar nicht so schlecht, wie zerkauter Matetee. Ich fange aber behutsam an und nehme bei der kleinen Menge an Blättern keine aufputschende Wirkung wahr.

Mit gefüllten Backen, Machete und Gummistiefeln schreitet Miguel voran, wir folgen leise und sind immer auf der lauer Tiere zu entdecken. Am Fluss angekommen springen wir direkt ins erfrischende Wasser und genießen die Ruhe und Einsamkeit.

Die nächsten Tage verbringen wir mit Miguel im Wald, machen viele Wanderungen und können Affen, riesige Ameisen, Schmetterlinge, Spinnen, ein Tayra (aus der Familie der Mader) und Vögel beobachten. Den Jaguar, Puma und Tapir lernen wir leider nur dank der Fussstapfen kennen.
Ein Tag laufen wir einen Aussichtspunkt hinauf, den Miguel vor kurzer Zeit erschlossen hat. Mit der Machete vorweg schlägt er uns den Weg frei und wir schaffen den steilen und rutschigen Weg nur hinauf, indem wir uns an den Bäumen festhalten und hochziehen. Verschwitzt oben angekommen bestaunen wir die magische Aussicht auf den grünen Regenwald und genießen das am Morgen gekochte Nudelgericht von Miguel.

Am Abend sitzen wir bei Kerzenschein in unserer Unterkunft, genießen das fantastische Essen von Miguel, hören den Geräuschen des Waldes zu und staunen über den traumhaften Sternenhimmel.

Nachts im Amazonas erwacht alles. Daher schnallen wir uns einen Abend die Stirnlampen auf den Kopf und laufen in den tiefschwarzen Regenwald. Miguel schreitet voran, ich bleib ihm direkt auf den Fersen um als erste den erhofften Jaguar zu sehen, Roman und Jamil trotten langsam hinterher und bleiben bei jeder Spinne fasziniert stehen.

Dann bleibt Miguel plötzlich stehen und schaltet das Licht aus. Es ist pechschwarz um uns herum. Eine noch nie erlebte Dunkelheit. Ich halte mir die Hand vor das Gesicht und sehe nichts, noch nicht einmal einen Umriss. Wir stehen stocksteif da und hören den Geräuschen des Waldes zu. Faszinierend, wie wir auf einmal völlig hilflos und die Tiere in ihrem Element sind. Ein bisschen mulmig ist uns schon zu Mute, so hilflos im Wald zu stehen. Dann schaltet Miguel das Licht wieder an und scannt das Gebüsch um uns herum – nichts. Wie gehen weiter. Wir nehmen die Augen der vielen, zum Teil nicht ganz ungefährlichen, Spinnen durch den Schein der Taschenlampe wahr. Dann macht Miguel wieder das Licht aus, wir warten und nach ein paar Minuten scannt er wieder die Umgebung ab. Auf einmal bleibt er an einem Punkt mit der Lampe stehen, Augen blinken auf, das Herz pocht schneller. Da ist was größeres, ein Jaguar oder Tapir? Miguel macht das Licht wieder aus, holt uns zu sich und wartet kurz ab. Dann schaltet er das Licht wieder an und da sehen wir endlich um was für ein Tier es sich handelt, es ist ein Reh.

Gemütlich trottet es durch den Wald und lässt sich von unserer Taschenlampe beim Essen nicht stören. Ein wenig enttäuscht, aber auch irgendwie erleichtert das es kein Jaguar ist, beobachten wir das schöne Wesen für eine weile und laufen dann weiter. Nach 2,5 Stunden kehren wir zur Unterkunft zurück und sind auch trotz des fehlenden Jaguars eine tolle Erfahrung reicher. Hier eine wunderbare Zusammenfassung der Tage von Roman:
Nach vier Tagen verlassen wir wieder auf dem Pferderücken den schönen Park. In Santa Cruz zurück müssen wir uns entscheiden, was wir mit den verbleibenden drei Tagen von Jamil machen möchten. Da wir weiterhin hungrig auf Natur und Tierbeobachtung sind, beschließen wir mit dem gleichen Anbieter und wieder Miguel als Guide den Kaa-Iya Nationalpark zu besuchen.
Gemeinsam mit dem Inhaber Marcos und unserem Guide Miguel schnallen wir also einen Tag später die Rucksäcke auf den Pick-up und fahren los. Wir dösen gerade ein wenig auf der Rückbank als plötzlich Marcos auf der noch asphaltierten Straße Richtung Park mit voller Kraft die Bremsen drückt. Ein waghalsiges Faultier läuft gerade über die Straße und versucht sich auf der anderen Straßenseite in Sicherheit zu bringen. Wir steigen aus und begutachten den Überlebenden. Jamil ist hin und weg, denn es ist sein erstes Faultier in freier Wildbahn. Roman und ich haben in Costa Rica schon viele beobachten können. Wir freuen uns, dass er die Straßenüberquerung überlebt hat.

Nach weiteren drei Stunden auf einer Schotterpiste erreichen wir die Parkstation. Wir fühlen uns ein wenig wie Naturforscher in einer sehr in die Jahre gekommenen Forschungsstation, die ziemlich heruntergekommen und einsam ist.
Wir bauen unsere Zelte auf und beginnen direkt einen Walk in der Abenddämmerung. Die nächsten zwei Tage versuchen wir gemeinsam Tiere zu finden. Doch die Region ist extrem trocken, alle Wasserlöcher sind ausgetrocknet und so werden wir leider nicht belohnt und können lediglich einen Fuchs und ein paar Affen sehen. Wir haben in unserer rustikalen Unterkunft mit Musik und gutem Essen aber trotzdem jede Menge Spass.

Etwas enttäuscht über die wenig gesehenen Tiere, kehren wir nach Santa Cruz zurück um unseren letzten Abend mit Jamil zu geniessen. Die Stimmung so kurz vor dem Abschied ist etwas bescheiden, zu schön war die gemeinsame Zeit. Wir könnten gut noch in diesem Dreier-Dream-Team weiterreisen.
Aber dann kommt der Moment des Abschieds. Jamil drückt uns lange und bedankt sich bei uns für diesen tollen Trip. Auch wir danken ihm für die tolle Freundschaft. Denn mit Jamil können wir unglaublich viel lachen, über alles reden, tolles erleben und teilen viele gleiche Einstellungen. Wir freuen uns schon auf den nächsten Trip mit ihm.
And this one goes out to all the single ladies: Jamil ist single und lebt in Berlin. Alle Anfragen bitte über uns, wir leiten es gerne weiter.
Und hier die weiteren wunderschönen Bilder der Natur Boliviens: