In 7 Tagen um das zweithöchste Gebirge der Welt

Peru: Huayhuash-Trek, 5.8.-11.8.19:

Die Umrundung des Huayhuash Gebirges wird unsere bislang schwerste und herausforderndste Wanderung, die ganz schön viel von uns abverlangt, doch beginnen wir von vorne.

In Patagonien empfiehlt uns ein Neuseeländer wärmstens diese Rundwanderung um das zweithöchste Gebirge der Welt mit schneebedeckten Gipfeln zwischen 5000 und 6600 müM Höhe. Und seit jeher ist diese Wanderung auf unserer To-do-Liste. Doch in Huaraz angekommen scheint dieser Trek kein Geheimtipp mehr zu sein, viele Touranbieter bieten Touren mit Eseln an. Wir sind hin und hergerissen ob wir ihn trotzdem laufen sollen, prüfen das Wetter und mussten es danach einfach tun. Sechs Tage Gut-Wetterfront. Die Vorbereitung auf solch einen Trip ist die Königsdisziplin. Die löchrigen Klamotten müssen zum Schneider, die Schuhe geklebt und genäht werden, es muss eingekauft und gepackt werden. 

Abends um 22.30 ist alles fertig und wir fallen müde ins Bett und trauen uns nicht die Rucksäcke zu wiegen. Diesmal ist im Rucksack Essen für 10 Tage (wir rechnen mit 8-10 Wandertagen, je nach Route), extra Klamotten und eine Decke für die kalten Zeltnächte. Roman schultert schätzungsweise 19 und ich 17 kg. 

Um 5 Uhr morgens (meine absolute Lieblingszeit) bringt uns der Bus in das 5 Stunden entfernte Gebirgsdorf Pocpa. Von dort müssen wir aufgrund fehlendes Transports weitere 3 Stunden das Tal entlang hoch laufen. Glücklicherweise hält auf halber Strecke ein Auto und zwei Kanadier laden uns ein, mitzufahren. So sind wir früher als gedacht am Startpunkt, haben noch Energie und entscheiden uns kurzerhand direkt den ersten Pass zu besteigen. Doch wir kommen nur langsam voran, die Luft ist dünn und der Rucksack schwer, aber Schritt für Schritt bahnen wir uns den Weg hinauf. 

Nachmittags um fünf erreichen wir einen wunderschönen Platz am Fluss und entscheiden uns zu bleiben. Wir genießen die herrliche Ruhe und bauen unser Zelt auf, bis uns zwei Männer Besuch abstatten und uns informieren, dass der offizielle Zeltplatz weitere 20 Minuten entfernt sei. Wir fragen ob es nicht auch hier erlaubt ist, da wir die Ruhe so genießen und auch selbstverständlich keine Spuren hinterlassen. Sie willigen ein, obwohl es eigentlich nicht erlaubt sei und berechnen uns umgerechnet 20 € für die Zeltnacht. Zudem sollen wir gleich das nächste Camp zahlen und drücken somit 40 € für uns beide ab. Für südamerikanische Verhältnisse ein Wucher. Wir haben aber gelesen, dass man jeweils bei den Communities Eintritt bzw. Wegzoll zahlen muss. Etwas unsicher, ob das so mit rechten Dingen zu tun hatte genießen wir dann aber in aller Ruhe unsere erste Zeltnacht.

Doch schon beim Kochen bibbern wir vor Kälte und als wir um 19 Uhr ins Zelt kriechen, ahnen wir, dass es eine eiskalte Nacht wird. Mit voller Montur kriechen wir in die Schlafsäcke und decken uns noch mit der Kuscheldecke zu, die wir in weiser Voraussicht von unserer Unterkunfts-Muddi ausgeliehen haben.

Zum Glück! Denn als wir am morgen aufwachen, ist unser Außenzelt gefroren. Jetzt beginnt der schlimmste Teil des Zeltens bei diesen Temperaturen, morgens bei der Kälte aus dem warmen Schlafsack kriechen und alles einpacken. Das Leben in den Finger und Fußspitzen erhalten wir erst nach halbstündigem Marsch zurück.

Doch glücklicherweise wärmt die Sonne schnell wieder alles auf. Auf der Karte sehen wir für die heutige Etappe zwei Möglichkeiten. Die einfachere Variante, die alle laufen, und eine Variante über einen Pass mit einer Lagune, bei der man deutlich mehr Höhenmeter wandert. Da unsere Rucksäcke schwer sind und wir noch einiges vor uns haben, entscheiden wir uns zunächst „vernünftigerweise“ für die einfachere Variante. Doch dann plaudern wir noch ein wenig mit einem Einheimischen und er schwärmt uns von der Aussicht auf der schwereren Route vor. Hin und her gerissen, und weil es uns so reizt, laufen wir dann doch die schwere Route. Die ersten Höhenmeter sind einfach und schnell hinter uns und als wir über den ersten Kamm schauen, werden wir direkt mit einer tollen Aussicht belohnt.

Niemand ist weit und breit zu sehen. Wir genießen diesen Anblick auf das Bergmassiv lediglich in Gesellschaft der Kühe, die hier ein recht anständiges Leben führen. Wir laufen entlang der Kuh Pfade, sind nicht so ganz sicher ob wir auf dem offiziellen Weg sind und ahnen schon was auf uns zukommt. Denn vor uns baut sich eine steile Felswand auf. Aha, dahinter muss dann wohl die Lagune sein. Wir tanken nochmals Energie mit ein paar Nüssen und nehmen dann den letzten Anstieg in Angriff. Schnell müssen wir die Wanderstöcke versorgen, da wir die Hände zum klettern brauchen. Nur mühsam geht es hoch, der Rucksack drückt und die Beinkraft wird gefordert.

Doch als wir den Pass erreichen ist keine Lagune weit und breit. Erleichtert über den geschafften Pass aber frustriert über die fehlende Lagune wandern wir weiter und sehen sie dann nach einer Weile weiter unten. Endlich bei der Lagune angekommen legen wir eine kurze Pause ein um zu essen. 

Da aber noch eine ganz schöne Etappe bis zum nächsten Camp vor uns liegt laufen wir zügig weiter. Nun beginnt der Abstieg und so ganz eindeutig ist der Weg nicht zu finden. Roman wird langsam nervös, da er unbedingt den Hauptweg erreichen möchte, bevor es dunkel wird. Also laufen wir zügig den Berg im zickzack hinunter und nach einer Weile erreichen wir den offiziellen Weg. Geschafft und erstmal durchatmen. Nun ist es ein Kinderspiel den Weg zum Camp zu finden. Wir laufen entlang kleiner Steinhütten das Tal weiter bergab. An einer Hütte versammelt sich gerade die Familie für einen Feierabend-Schnaps und wir kommen ins Gespräch. Als erstes werden wir stets gefragt aus welchem Land wir kommen. Spürbar sind sie sehr stolz, dass Menschen von so weit her kommen um ihr Land anzuschauen. Wir erfahren, dass sie das ganze Jahr hier leben. Aus den Lagunen fischen sie Forellen, sonst gibt es natürlich viel Fleisch und der Rest wird mit Eseln im zwei Stunden entfernten Dorf eingekauft. Wir sollen die Frage beantworten ob wir lieber hier oder in der luftverpesteten Stadt leben wollen. Unsere Antwort „hier natürlich“ löst zufriedene Gesichter aus. 

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Camp direkt an einer wunderschönen Lagune mit einer gewaltigen Bergkulisse im Hintergrund. Es bleibt noch ein wenig Zeit für meine Dehnübungen und Romans Fotos bis wir Polenta warm machen, noch ein bisschen Lichtmalerei betreiben und dann müde ins Zelt kriechen. Der anstrengende, aber auch einsame Tag lässt uns ganz gut schlafen. 

Der Sonnenaufgang am nächsten morgen ist einfach magisch und lässt uns gut in den Tag starten. 

Wir packen gerade unsere Sachen zusammen, als die nächsten Geldeintreiber vor unserem Zelt stehen. Wir zeigen unser Ticket und erklären das wir schon gezahlt haben. Leider, und wie schon irgendwie vermutet, haben die Jungs von der ersten Nacht uns übers Ohr gehauen. Denn hier ist eine andere Community und wir müssen einen anderen Betrag zahlen. Wir sind sauer und die Männer geben uns das Versprechen, mit der anderen Community darüber zu reden. Wir lernen daraus und beschließen auf diesem Trek nicht mehr wild zu zelten. 

Die heutige Etappe ist wohl die bekannteste des Treks und schlängelt sich entlang drei wunderschönen Lagunen. Diesmal sind wir nicht alleine unterwegs und treffen auf eine spanische Reisegruppe und einigen französischen Pärchen. Wir laufen gemütlich und machen zum Glück unsere Frühstückspause direkt an einer der Lagunen. Als wir den freien Blick auf die erste Lagune bekommen, rufen wir beide nur ein „wow“ heraus. Türkisblau thront die Lagune vor unseren Füssen, Wasserfälle plätschern ins Wasser und ab und zu donnert eine Lawine die Felshänge hinunter.

Wir sind überwältigt von dieser Naturschönheit und würden am liebsten bleiben und das Zelt aufbauen. Doch der nächste Pass wartet auf uns. Und dieser hat es erneut in sich. Extrem steil schlängelt sich der Pfad 650 Höhenmeter hinauf. Das Herz pumpt, die Atmung wird schneller und die Stirn feucht. Auf halber Strecke erreichen wir den Aussichtspunkt der drei Lagunen und machen natürlich, wie jeder Touri, ein schön gestelltes Erinnerungsbild: 

Weitere kräftezehrende Höhenmeter weiter erreichen wir den Pass und ich gönne mir erstmal ein Nickerchen während Roman ein Panorama nach dem anderen schießt. 

Den anstrengenden Teil erledigt heißt es nun wieder einige hundert Höhenmeter runter zum nächsten Camp. So kurz vor dem Ziel merke ich brutal meinen Rücken durch den schweren Rucksack, zum Glück nicht die Beine, die sind erstaunlich fit nach all den Touren. Am Camp angekommen lege ich mich als erstes flach auf den Rücken um zu dehnen – herrlich. 

Nach einer erneut sehr kalten Zeltnacht wartet am 4. Tag der Trapecio Pass auf uns. Doch irgendwie fällt das Wandern etwas schwerer an diesem Tag. Meine Nase läuft und die Energie ist verhalten vorhanden. Die Höhe lässt uns beide keinen Appetit verspüren und wir müssen uns häufig zwingen etwas zu essen. Der Wind pfeift uns an diesem Tag ordentlich um die Ohren. Also wandern wir langsam, lassen alle Wanderpärchen an uns vorbei ziehen und kommen Schritt für Schritt dem Pass näher. 

Oben angekommen haben wir einen gewaltigen Blick aber der Wind bläst uns fast wieder runter und wir steigen zügig auf der anderen Passseite ab. Wir finden einen einigermaßen windgeschützten Platz für ein Picknick mit einem erneuten grandiosen Blick auf eine Lagune. 

Am Nachmittag erreichen wir das Camp und der kalte Wind zwingt mich im Zelt auszuruhen. Mich hat schon wieder eine Erkältung erwischt und ich liege mit verstopfter Nase völlig erschöpft auf der Matte. Zum Glück kommuniziert Roman fröhlich mit den anderen Wanderlustigen und ich erhalte von den super netten Franzosen Virgine und Adrien französische und amerikanische (sie leben gerade in Amerika) Medikamente. Ich entscheide mich dann doch für die europäischen Medikamente und hoffe dass ich einigermaßen schlafen kann. Doch leider liege ich die halbe Nacht wach, ich bekomme durch meine verstopfte Nase keine Luft und die knappe Höhenluft gibt mir das Gefühl zu ersticken. Da wir beide eh nicht schlafen können packen wir um 5.30 Uhr unsere Sachen und laufen los. Auf Grund meines Zustandes entscheiden wir uns gegen einen Abstecher mit ein bis zwei Zeltnächten mehr und laufen den direkten Weg bis ins nächste Camp. Doch die Wanderung hat es in sich, 7 Stunden, 900 Meter runter und dann nochmals 700 Meter wieder hoch. Doch ich fühle mich erstaunlich fit und schaffe die straffe Tour ganz gut. Und unglaublich aber wahr wandern wir den ganzen Tag alleine und haben auch noch Abends den kompletten Zeltplatz für uns.

Ich schlafe besser und am nächsten Tag, dem 6. Wandertag, geht es mir erstaunlich gut (die französischen Pillen scheinen zu wirken). Einsam laufen wir über zwei Pässe, sehen nun die Gebirgskette von der anderen Seite und genießen die absolute Ruhe in dieser wunderschönen, magischen Natur. 

Am Nachmittag erreichen wir das letzte Camp, wo wir uns den Platz wieder mit einigen Zelten teilen. Damit wir am nächsten Morgen den einzigen öffentlichen Bus um 11 Uhr erreichen,  starten wir um 6 Uhr früh. Laut Handy sind es 4,5 Stunden bis zum Dorf, aber ein Bauer versichert uns, dass wir nur 3 Stunden brauchen. Ich hatte mich eigentlich nur auf herunterlaufen eingestellt und auf einmal laufen und laufen wir nur hoch, kein Ende in Sicht. Bei jedem Hügel denk ich es ist vorbei und fluche lauthals, als man nur den nächsten Hügel noch weiter oben erblickt. Wir kommen langsam vorwärts und sehen unseren Bus in Gedanken ohne uns fahren. Und dann realisieren wir, dass es einen direkten Weg unten entlang gegeben hätte, so machen dann die 3 Stunden auch Sinn. Na toll! Dann erreichen wir endlich den höchsten Punkt und nun sind es nur noch 1200 Höhenmeter runter. Roman schaut auf das Handy und sieht schwarz, ich laufe einfach weiter. Zu sehr hab ich mich auf eine heiße Dusche gefreut, das ich noch nicht aufgebe. Runter kommen wir zügig vorwärts und schon nach einer halben Stunde sehen wir dass wir gut aufholen, Hoffnung ist wieder da. 

Um 10.30 Uhr kommen wir in das Dorf und können direkt in den Bus steigen. Puh… geschafft. Am Nachmittag erreichen wir Huaraz und wir sind erleichtert nach „Hause“ zu kommen, freuen uns auf die heiße Dusche, Burger und Bier und fallen dann erschöpft ins kuschelige und warme Bett. 

Diese Wanderung war mit Abstand unsere anstrengendste Tour bislang. Wir sind in den 7 Tagen 96 km, 4430 Meter hoch und 5240 Meter runter gewandert, stets auf einer Höhe zwischen 3500 und 5000 müM. Aber jede Mühe und Blase am Fuß hat sich gelohnt, es war eine magische Tour für uns. Diese unberührte Landschaft, das beeindruckende Bergmassiv, die unfassbaren Farben der Lagunen, die abwechslungsreichen Täler mit Flüssen und Wasserfällen. 

Jetzt sind wir aber erstmal gesättigt vom Wandern und ich will endlich wieder im Meer baden. Daher geht es nun zur Erholung an die Nordküste Perus. Aber hier erstmal noch weitere grandiose Bilder der Tour: 



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