Australien: Perth – Esperance, 13.12. bis 14.1.20:
Ungeduldig stehen wir in der Ankunftshalle und schauen zu, wie ein Fluggast nach dem anderen aus dem Ausgang kommt und die Abholenden umarmt. Der Flieger ist schon lange gelandet, selbst die Flugzeug-Crew kam schon heraus, aber von meiner Mutter keine Spur. Ich werde langsam ungeduldig, hoffentlich klappt alles und sie bekommt keine Probleme. Und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens und des Tränen verdrückens, geht die Tür auf. Meine Mama guckt suchend um die Ecke, ich schreie laut Mama und wir fallen uns weinend in die Arme. Ein Jahr ist es her als wir uns das letzte Mal in den Armen lagen und sie hat tapfer all die Zeit auf ihre kleine Tochter verzichten müssen. Doch nun sind wir auf der anderen Seite der Welt wieder vereint und ein abenteuerlicher Roadtrip kann beginnen.
Ist das schön Mama in den Armen zu liegen. Ein Gefühl von Heimat, von unendlicher Geborgenheit und Liebe. Überglücklich und liebevoll streichelt sie ihren Kindern die Wange und kann nicht fassen, dass sie nun bei uns ist. Sie hat die Anreise super gut gemeistert, und auch die 38 Grad Hitze in Perth können wir ganz gut verkraften. Irgendwie absolut surreal Mama neben uns sitzen zu haben.

Nach ein paar Tagen Perth packen wir auch schon unsere Sachen und bereiten uns auf unseren Roadtrip vor. Roman holt das Mietauto ab, Mama und ich sitzen ungeduldig mit gepackten Sachen und warten auf seine Rückkehr. Nur Anhand weniger Bilder wissen wir was auf uns zukommt: ein kleiner Campervan mit Dachzelt. Als Roman dann um die Ecke biegt, laufen wir auf die Straße und begutachten unser Zuhause für die nächsten 4 Wochen. Ein bereits deutlich in die Jahre gekommener Van mit einer kleinen Kochnische im Kofferraum und wackeliger Leiter zum Dachzelt. Einfach und recht klein, aber eigentlich völlig ausreichend. Erfolgreich verstaut Roman all unser Gepäck und zum Glück findet sogar Mamas riesiger Koffer Platz (ein kleiner Inside-Joke: sie hat nur auf Grund meiner Bitte diesen großen Koffer mitgenommen, da wir ihr einiges mit nach Hause geben wollten, und ich freche Tochter hab sie den ganzen Urlaub mit diesem riesigen Koffer aufgezogen). Nach Romans Verstau-Kunst sind wir abfahrbereit.

Wir fahren Richtung Süden und verbringen unsere erste Campingnacht in einem Nationalpark mit einem klassischen australischen Bush-Camp. Das lieben wir an Australien – diese wunderschönen Campingplätze mitten in der Natur mit lediglich einem Plumpsklo.
Schon kurz nach unserer Ankunft können wir in aller Ruhe eine Känguru-Familie direkt neben unserem Platz beobachten, über uns fliegen die Papageien umher und die Kookaburras (Mamas Lieblingsvögel) geben ihr bekanntes Lachen von sich. Leider sind in solchen Camps auch immer eine ganz spezielle Art von Tieren unterwegs: die Fliegen. Warum auch immer, aber sie fliegen zu gerne um den Kopf, in die Nasen, Ohren und Mund und können einen ganz schön auf die Palme bringen. Mama wird also bereits in ihrer ersten Nacht 100% auf einen australischen Campingurlaub getestet. Beim Lesen im Campingstuhl und beim Salat schneiden am Abend kämpft sie genervt mit den Fliegen.

Die erste Nacht ist dann leider auch ziemlich katastrophal. Da die Matratze von Mamas Bett ziemlich durchgelegen ist, legen wir ihr unsere Campingmatte darunter. Diese rutscht in der Nacht aber immer zur Seite weg, was sie recht unruhig schlafen lässt. Roman und ich sind oben in das Dachzelt geklettert und können uns auf dem ein Meter breiten Bett kaum bewegen. Zudem spüren wir jede Bewegung von Mama wie in einem Karussell. Am Morgen sind wir alle ganz schön gerädert und Mama denkt sich ihren Teil: “Na das kann ja heiter werden”. Für die nächste Nacht finden wir allerdings eine deutlich bessere Lösung. Mama bekommt unsere Matratze von oben und wir schlafen in unserem Zelt. Viel besser für alle beteiligten und nach zwei Tagen fühlt sie sich richtig wohl in ihrem kleinen Zuhause.
Für meine Mutter ist jeder Tag ein Highlight, sei es die Delfine, die direkt am Strand um unsere Füße schwimmen, sei es die traumhaften langen Sandstrände mit 3 Meter hohen Wellen oder die Ruhe und Tierbeobachtung in den Wäldern.

In einem weiteren wunderschönen Bushcamp im Wald werden wir mit einer neuen Tierbeobachtung gesegnet. Als wir Abends im Dunkeln in unseren Campingstühlen sitzen und die Nachtruhe der Fliegen genießen, nehmen wir ein Geräusch direkt neben uns wahr. Roman leuchtet mit der Taschenlampe und schüchtern guckt uns ein kleines Possum keine 2 Meter entfernt an. Wir erschrecken, es erschrickt und flüchtet auf den Baum direkt neben unserem Auto. Dort sitzt es bis wir ins Bett gehen und beobachtet uns von oben aus sicherer Entfernung.

In dieser Nacht wird es plötzlich frisch und Roman krabbelt aus unserem Zelt um unsere Decke aus dem Dachzelt zu holen. In dem Moment, als er die Leiter an das Auto stellt, kommt von drinnen ein lautes “pssttt pssstt”. Meine Mama, die versucht das Possum zu vertreiben. Roman flüstert “Ich bin`s” und wir alle lachen los. Roman leuchtet das Possum oben am Baum an was sich stillschweigend ihren Teil denkt.

Und schon steht Weihnachten vor der Tür. Wir mieten uns ganz spontan in eine kleine Wohnung auf dem Land ein und kaufen auf einem kleinen Markt frisches und lokales Gemüse. Gemütlich und ohne Stress kochen wir uns fantastische Weihnachtsmenüs und genießen ein Weihnachten mal anders – ohne Geschenk-Duselei und nervigen Weihnachtsliedern im Radio. Herrlich.

Tagsüber verbringen wir Zeit am Strand mit Wellen, die uns den Atem rauben und Surfern, die versuchen sie perfekt zu reiten.

In das neue Jahr feiern wir dann ganz gemütlich an einem Strand-Camp mit lokalem-Charme und hüpfenden Kängurus um uns herum.

Die Natur in Australien und die Tierbeobachtungen begeistern uns jeden Tag aufs Neue. Ein weiteres Highlight dürfen Roman und ich Unterwasser auf Woody Island (vor Esperance) erleben. Wir schnorcheln keine 10 Minuten entlang einer Felswand als auf einmal etwas großes graues auf mich zu schwimmt. Ich schreie “Roman” damit er zu mir schnorchelt und schon ist der neugierige australische Seelöwe direkt vor unseren Taucherbrillen und begutachtet uns. Neugierig wie ein kleines Kind schwimmt sie um uns herum und kommt dabei ganz nah. Wir quicken vor Glück Unterwasser und genießen ganz alleine für sicher 15 Minuten den Seelöwen-Tanz.

Fröhlich springt sie ab und zu aus dem Wasser und hat nun auch die Aufmerksamkeit der Menschen an Land erreicht. Als dann lauthals alle Kinder mit Schnorchelmasken ins Wasser rennen und wir langsam aufgeweicht vom Wasser herausgehen, kann Mama zum Glück die Seelöwe noch von der Wasseroberfläche sehen, bis sie dann kurze Zeit später wieder im blauen Ozean verschwindet. Roman und ich sind im Seelöwen-Himmel – sooo cool!
Umso dankbarer wir über die tollen Tierbeobachtungen sind, um so größer ist der Schmerz über die katastrophalen Waldbrände, die diesen Sommer radikal im ganzen Land wüten. Viele unserer Freunde schreiben uns und wollen wissen ob und wie wir von den Bränden betroffen sind. Wir bekommen es natürlich mit, sehen ab und zu dunkle und rötliche Wolken am Horizont und müssen unsere Reisepläne anpassen. Besonders grausam sind die Waldbrände für die Tierwelt. Berechnungen der Universität Sydney zufolge kamen in Australien etwa eine Milliarde Tiere in den momentanen Flammen um. Viele verbrannte Wälder werden Jahrzehnte brauchen um wieder genügend Lebensraum für die Tierwelt zu bieten.

Doch Waldbrände gehören zur australischen Geschichte wie boxende Kängurus. Warum ist es dieses Jahr so besonders schlimm? Das Klima verändert sich: extreme Trockenheit und starke Winde sind eines der Gründe für die unkontrollierten Flammen. Doch welcher Zusammenhang hat das kontrollierte Feuerlegens der Aborigines?
Auf dem Weg zurück nach Perth legen wir in dem Wüstendorf Dumbleyung für eine Aborigine-Tour einen Stopp ein. Am Nachmittag klopfen wir an die Scheibe des Wuddi-Tour Kulturzentrums und Ann und ihr Mann begrüßen uns schüchtern. Sie sind Aborigines und haben dieses Kulturzentrum gegründet um die Kultur, die Geschichten und Weisheiten der Aborigines aufrecht zu erhalten. Etwas nervös fängt Ann an uns über die Geschichte ihrer Familien zu erzählen und zeigt uns alte Bilder. Als sie unser Interesse spürt, wird sie immer selbstbewusster und lockerer. Wir lernen über die 500 unterschiedlichen Stämme in Australien, über ihre selbstgebastelten Gegenstände und ihre Nahrung aus dem Busch. Wir schwingen das Busch-Telefon, probieren Samen und selbstgemachte Marmelade einer Busch-Frucht.

Als ich Ann nach den Buschbränden frage, schaut sie mich traurig an und sagt “Jahrhunderte haben wir im Einklang mit dem Land und der Natur gelebt und nun zuzusehen, wie innert kürzester Zeit alles zerstört wird, schmerzt”. Ich frage sie wie die Aborigines damals mit den Bränden umgegangen sind und sie erklärt uns die Kunst des Feuerlegens. Denn die Aborigines nutzten seit Jahrhunderten das Feuerlegen für viele unterschiedliche Zwecke: um Wege und Jagdmöglichkeiten zu erschaffen, um vorhandene Nutzpflanzen zu fördern und neues Wachstum zu initiieren, zur Wärmegewinnung und Nachrichtenübermittlung und auch um das Risiko unkontrollierter Buschfeuer zu reduzieren. Sie kannten ihr Land und wussten wann es Zeit war Feuer zu legen. Laut Ann ist der größte Fehler der australischen Regierung, dass sie zu spät handeln und sich nicht die Hilfe der Aborigines einholen. Einzelne Beispiele, besonders in der nördlichen Region, gibt es bereits wo die Feuerwehr und die Aborigines zusammenarbeiten und Feuer legen. Doch laut Ann müsste das in ganz Australien passieren. Wir sind berührt von der tollen Tour und dankbar, dass wir so viel lernen durften. Wer sich mehr mit dem Thema des Feuerlegens der Aborigines befassen möchte sollte diesen Artikel “Wir wissen am besten, wie man Australien beschützt” lesen.
Unsere Zeit mit Mama kommt langsam zum Ende. Als Abschluss unseres Roadtrips sind wir noch die letzten drei Nächte im Yanchep Nationalpark in der Nähe von Perth und können kaum glauben, wie viele Kängurus hier um uns herum springen.

Nach 5 wundervollen Wochen bringen wir dann schweren Herzens Mama früh morgens zum Flughafen. Es war ein einmaliges Geschenk mit Mama zu reisen und wir durften jeden Tag ihre Liebe, Entspanntheit und vor allem ihre Dankbarkeit spüren. Ein unvergesslicher Trip an den wir lange gemeinsam zurückblicken können.

Und auch wir verlassen nun nach über zwei intensiven Monaten Australien und beginnen einen neuen Abschnitt unserer Reise: Südost-Asien. Wir fahren mit dem Frachter nach Malaysia und von da an wollen wir Indonesien erkunden. Eins können wir hier schon verraten: unsere zweite Frachtschiffreise ist erneut grandios.
Aber hier zunächst Bilder vom wunderschönen Süd-Westen Australiens.
Meine liebe Alina, was für eine unglaubliche Reise ihr schon erleben durftet, das ist der absolute Hammer, was für ein Wahnsinn!! Ich lese mit Begeisterung eure Geschichten und Erlebnisse und freue mich so sehr für euch, dass ihr dies Geschenk erleben dürft. Den Bericht mit deiner Mutter hat mich sehr berührt, da wir vor 20 Jahren auch mit meiner Mutter in Australien waren und ich dies genauso empfunden habe, wie du, die tiefe Dankbarkeit und das gemeinsame Erleben bleibt für immer…
Ich darf mich ein kleines bisschen anschliessen und fühle mich gerade sehr verbunden, wesshalb ich diese Zeilen gerne schreiben möchte…denn Andi und ich befinden uns gerade auch in Australien, im Moment auf Long Island, herrrlich…nach 6 Wochen Neuseeland mit dem Camper und 18 Tagen in Australien, befinden wir uns in den letzten Zügen und werden am 1.3 zurück nach Hause reisen…eure Bilder könnten unsere sein, wir haben dies genauso erlebt und es war eine unglaubliche, tiefgreifende Zeit, ich bin zutiefst berührt und dankbar.
Euch wünsche ich von ganzem Herzen noch weitere tolle und faszinierende Erlebnisse an den verschiedensten Orten dieser wunderschönen Erde…Seid ganz lieb gegrüsst und passt gut auf euch auf, alles alles Liebe Karin, deine Masseurin 😉